13.10.2016

Der Wiederaufbau von Schütz- & Köhlerschen Haus vor acht Jahren

Heinrich Schütz Residenz am Neumarkt Dresden

Heinrich Schütz Residenz am Neumarkt Dresden

Kurzinformation zur Heinrich-Schütz-Residenz im Tourplaner
Link zum Panorama am Erker des Schützhauses
Bildergalerie zum Wiederaufbau der Gebäude Teil I, Teil II

Bei den beiden Gebäuden am Neumarkt Dresden (Link zum Panorama 2014) handelte es sich bis 1945 um zwei der bedeutendsten Bürgerhäuser der Stadt mit überregionaler Bedeutung. Beim Schützhaus hatte dies vor allem kulturhistorischen Gründe, wohnte doch im Gebäude von 1629-1657 Heinrich Schütz, einer der berühmtesten deutschen Komponisten. Nach diversen Zwischenaufenthalten war der Hofkompnist 1672 wieder in Dresden und verstarb hier. Sein Grab in der alten Frauenkirche hat sich leider nicht erhalten. Von seinem Dresdner Wohnhaus erhielten sich aus seiner Zeit bis 1945 auch nur Grundmauern, Teile der Keller und der untere Teil des Erkers. Das Gebäude mit zwei Vollgeschossen und hohen Zwerchgiebeln der Renaissance stammte wohl aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Berühmt war der Fries am Erker mit tanzenden Kindern, geschaffen von der Bildhauerdynastie Walther. Dresden, Kinderfries vom Erker des SchützhausesDresden, Originalfragment des Kinderfrieses vom Schützhaus, restauriert, ergänzt durch W.Hempel und zunächst bis 2007 in der Gewandhausstraße eingebaut. Dort wurden sie dann ausgebaut und beim Wiederaufbau des Erkers wieder eingefügt.

Im Barock sowie im Biedermeier wurde das Haus mehrfach umgebaut. Zu allererst wurde um 1690 das wunderschöne Portal zum Neumarkt hin geschaffen. Teile davon wurden ebenso aus dem Trümmerschutt geborgen, wie mehrere Teile des Erkers. Um 1730 wurde das Gebäude dann unter Beteiligung George Bährs grundlegend umgebaut und zu einem barocken Gebäude mit nunmehr drei Vollgeschossen und einem Mansarddach. Der obere Teil des Erkers wurde ebenso neu geschaffen und erhielt statt dem abschließenden Dach nun einen Austrittmit Blick über den Platz und zur Frauenkirche. Die Treppe im Inneren des Hauses mit ihren Balustern stammte wohl auch aus dieser Zeit.Dresden, Erker des SchützhausesDresden, Erker des Schützhauses, unterer Teil, Fotografie A.Hummel 2015

Nach 1800 brach man dann das Mansardgeschoss ab und stockte die Fassade um ein Geschoss auf, womit man dem Zeitgeist des Klassizismus zum Nachteil des Erscheinungsbildes frönte. Den barocken Zierrat an der Fassade schlug man größtenteils ab. 1849 war das Haus in die Barrikadenkämpfe am Neumarkt mit einbezogen und wurde wohl leicht beschädigt (siehe Neumarkt Dresden in hist. Ansichtskarten). Bis 1850 wurde das nun von der Familie Siedel als Wohn- und Kaufmannshaus genutzte Gebäude erneut umgebaut und die Fassade der Obergeschosse erhielt etwas Zierrat im Stile des Biedermeier. Das Erdgeschoss hingegen erhielt eine der reichsten Ladenarchitekturen am Neumarkt. Nach 1900 vereinte man das Schützhaus auch baulich mit dem Köhlerschen Haus und man schloss das Hauptportal zum Neumarkt, wobei die hölzernen Türblätter verloren gingen. Im Februar 1945 brannte dann der Bau aus und stürzte größtenteils zusammen. Dresden, Schützhaus, Schlußstein

Dresden, Schützhaus, Originalfragment des Schlußsteines vom Portal, Fotografie A. Hummel, vor 2007

Das Köhlersche Haus besaß einen stattlichen Vorgängerbau aus dem späten 17. Jahrhundert. Böttchermeister, Weinhändler und Weinbergsbesitzer Johannes Köhler lies sich ab 1749 dann einen stattlichen Barockbau errichten. Es war mit 5 Vollgeschossen und drei Dachgeschossen eines der größten Bürgerhäusern der Stadt. Im Inneren waren die zwei Kellergeschosse in Dresden eine Seltenheit. Ebenso war das Treppenhaus im Vorderhaus mit seinen massiven Gewölben und seinen schmiedeeisernen Ziergeländern ganz nach dem neuesten französischen Vorbildern eine Rarität, welche sich aber wohl nicht bis 1945 erhielt. Die verzierte Hauptfassade lag zur Frauenstraße, während die lange Seitenfront in der sehr engen Schuhmachergasse weitgehend schmucklos blieb.

Dresden, Portal Köhlersches HausDresden, Portal Köhlersches Haus während des Wiederaufbaus 2008 mit deutlich erkennbaren Originalfragmenten, Fotografie A.Hummel 2008

Die Hauptfassade zählte zu den besten Leistungen des bürgerlichen Rokoko im deutschen Sprachraum. Architekt war vermutlich Andreas Adam. Während die Verdachungen der Fenster des Mittelrisalits noch im Rahmen der üblichen Dresdner Architektur des Rokoko blieb, war der überreiche freie Antragsstuck etwas Besonderes. Was das Haus aber dann wirklich einzigartig macht, ist die Ikonografie von Portal und Erker. Am Portal ist die Arbeit im Weinberg im Frühjahr und im Herbst durch Putten dargestellt. In der Mitte findet sich eine Janusköpfige Gestalt. Das Gesicht eines bärtigen Mannes wendet sich mit einem Schlüssel in der Hand der Arbeit im Herbst mit der Ernte zu, ein frauliches Gesicht wendet sich mit einem Stab in der Hand der Arbeit im Frühjahr zu. In der Kartusche darunter steht "Sudore Benedictione" geschrieben, zu deutsch "Schweiß Segen". Sinngemäß sind Worte wohl mit "durch Schweiß zum Segen" zu deuten. Dies hat sicherlich auch biblische Bezüge. Wer an die Weinberge in Radebeul oder bei Meißen denkt, ahnt die schwere Arbeit in alter Zeit, von der aber auch jeder Winzer heute noch berichten kann.Dresden, Portal Köhlersches HauDresden, Portal des Köhlerschen Hauses nach der Rekonstruktion, Fotografie A. Hummel 2015

Am Erker findet sich ein Bacchuskopf über dem Seiteneingang. War hier früher ein Weinlokal des Erbauers? Darüber ist in Relieffeldern die Herstellung eines Weinfasses durch Putten mit allen wesentlichen Arbeitsschritten dargestellt. Das ein Bauherr sich mit seinen Berufen so prachtvoll, aber auch qualitätvoll in Szene setzte, ist im bürgerlichen Bauwesen in dieser Fülle eine Rarität. Im Februar 1945 brannte auch dieser Bau aus und stürzte in großen Teilen zusammen. Aus dem Trümmerschutt barg man auch hier eine Vielzahl von Bruchstücken von Portal und Erker.Köhlersches Haus Dresden, FragmentDresden, Köhlersches Haus Fragment vom Türsturz unter dem Erker, Fotografie A.Hummel

Im Jahre 2007 begann dann der Wiederaufbau der Häuser als "Heinrich-Schütz-Residenz". Ein dritter Bau (ehemals Neumarkt 11) ergänzte das Ensemble in moderner Formensprache. Für die Planung der Seniorenresidenz war das Architekturbüro Feddersen aus Berlin verantwortlich. Für diese entwickelte wiederum eine Arbeitsgemeinschaft von Tell Kühne, A. Hummel und Arte4D die historischen Details. Eine Schwierigkeit bei der Rekonstruktion stellte das Heinrich-Schütz-Haus dar. Für welche Zeitschicht sollte man sich entscheiden? Letztlich baute man das Gebäude nach dem Ideal des Entwurfes von Bähr wieder auf. Auf die Farbigkeit zur Zeit Bellottos mit aufgemalten Spiegeln verzichtete man zu Gunsten einer farbigen Fassung des Erkerunterbaus aus der Renaissance aufgrund von Farbbefunden. Die Farbigkeit des Köhlerschen Hauses wurden entsprechend angepasst. Die aufgemalten Putzspiegel hier waren zwar nicht dokumentiert, aber sicherlich einst vorhanden. Sie wurden ebenso im Analogieschluss entwickelt, wie die Fensterachse über dem Eingangsportal des Schützhauses, welche auch kaum dokumentiert war. In den Wiedraufbau wurden große Teile der historischen Keller inkl. eines Stückes der romanischen Stadtmauer integriert. Der aufmerksame Betrachter erkennt zudem an Erkern und Portalen viele originale Spolien, welche mit vielen Mühen unter Schonung der Originalsubstanz integriert wurden. Drei Fragmente des Köhlerschen Hauses sind allerdings an der Gewandhausstraße verblieben und konnten nicht mit eingefügt werden (Link zum Panorama). Somit stellen die beiden Bauten auch heute wieder eine der schönsten Fotomotive und Sehenswürdigkeiten von Dresden dar. Dresden, Portal Schütz HausDresden, Rekonstrukion des Portales des Schütz-Hauses, Fotografie A.Hummel 2008

Da es immer wieder die Kritik an den Rekonstruktionen gibt, sei angemerkt, das sich eben nicht um vorgehängte Fassaden vor einen Betonbau handelt. Zum einen wurden die historischen Reste des Gebäudes erhalten. In Teilbereichen des Hauses steigt man somit wieder in die Geschichte hinab. Weiterhin bestehen die Außenfassaden aus Wärmedämmziegeln ohne zusätzliche Dämmschichten. Damit war es möglich, Erker, Portale und Gewände aus Sandstein in die Fassade einzufügen. Lediglich die Hauptsimse wurden nicht in Sandstein sondern in Stuck ausgeführt. Der Zierrat, welcher nachweislich in Stuck ausgeführt war, ist wieder in Stuck ausgeführt worden. Der einzige Unterschied besteht darin, das er erst über eine langwierige Modellentwicklung mit vielen Zwischenabnahmen entstand und dann erst an die Fassade angebracht wurde. Eine solche Rekonstruktion erfordert eine Vielzahl von Arbeitsprozessen von Planern, Baubehörden, Baufirmen, Handwerkern, Restauratoren und Bildhauern. Zudem bedarf es einen Bauherren, der auch bereit ist, dies alles zu bezahlen. Man sollte also etwas vorsichtig sein, bevor man leichtfertig darüber schwadroniert, das dies alles Disneyland sei, denn es hat wie dargelegt, mit diesen Vergnügungsparks auch nicht das Geringste zu tun hat.Kelleranlagen des Köhlerschen HausesKelleranlagen des Köhlerschen Hauses nach der archäologoischen Ausgrabung, Fotografie A. Hummel 2007

[zurück]