Die Häuser der Dinglingers in Dresden
Dresden wird nach Fertigstellung der Rekonstruktion im Quartier VI über drei "Dinglingerhäuser" im Stadtgebiet verfügen. Des Weiteren erinnert ein Brunnen am Gewandhaushotel an den Namen Dinglinger. Der bekannteste Träger des Namens war Johann Melchior Dinglinger, Hofgoldschmied und Juwelier unter August dem Starken. Er wurde 1664 in Biberach an der Riß geboren, erlernte in Ulm das Goldschmiedehandwerk und kam 1692 mit 28 Jahren nach Dresden, zwei Jahre vor dem Regierungsantritt Augusts des Starken.
Dresden, Frauenstraße mit Dinglingerhaus (Mitte), Rekonstruktion um 1850 von Arte4D
Im Jahre 1697 erwarb er ein Haus in der Frauenstraße. Im gleichen Jahr wurde August der Starke zum König von Polen gekrönt. Seit der Ernennung Dinglingers zum Hofjuwelier 1698 erhielt dieser hochwertige und einmalige Aufträge zur Repräsentation des neuen Königs. So entstanden Inkunabeln der Juwelierkunst des Barock wie u.a. der "Hofstaat des Großmoguls" oder das Goldene Kaffeezeug. Das Haus in der Frauenstraße wurde auf kleiner Grundfläche bis 1726 auf das prächtigste neugebaut. Dresden, Schnitt durch das ursprüngliche Dinglingerhaus, Dr. Tobias Knobelsdorf / Arte4D
Die Nachricht der 1726 durch die Aufsichtsbehörden durchgeführten Baubesichtigung markiert vermutlich den Zeitpunkt der endgültigen Fertigstellung des Hauses und nicht, wie an anderer Stelle behauptet, die Errichtung eines zweiten Neubaus. Dieser Hypothese entsprechen die Architektur des Innenhofes, die eher für die Jahre um 1710 typisch ist, sowie die Besuche des dänischen Königs Frederick IV. (1709) und Zar Peters des Großen 1712 bei Dinglinger. Letzterer übernachtete sogar im Haus des Künstlers. Zu dieser Zeit existierten bereits die Altane auf dem Dach des Hauses mit ihren Apparaturen, Wind- und Wasserspielen. Als ihr Erfinder ist Andreas Gärtner (1654-1727), Hofmechanicus und kurfürstlich sächsischer Modellmeister, verbürgt.
Dresden, Dinglingerbrunnen, am Gewandhaushotel (li), hist. Ansichtskarte Archiv Arstempano (Mitte), Rekonstruktion des Hofes von Arte4D (re)
In Zusammenhang mit diesen Anlagen dürfte auch die Errichtung des Hofbrunnens stehen. Dieser geht unter Umständen auf einen Entwurf Dinglingers selbst zurück. Der ausführende Bildhauer ist unbekannt, könnte aber vielleicht in der Werkstatt Permosers zu suchen sein, arbeiteten die Herren doch bei einigen heute im Grünen Gewölbe aufbewahrten Stücken auf das Engste zusammen. Berühmt waren auch die Wasserleitungen im Hause. Das ankommende Röhrwasser* wurde auf Zisternen auf dem Dach des Hauses gepumpt. Von dort konnte es vergleichbar unseren heutigen Wasserleitungen auf jeder Etage wieder entnommen werden. Neben dem Nutzen für die Bewohner des Hauses - ein Teil der 14 Gesellen Dinglingers wird sicherlich im Hauses gewohnt haben - diente diese Vorkehrung jedoch in erster Linie dem Brandschutz. Ein Brand im Hause hätte Werte in unvorstellbarer Höhe vernichten können, die Dinglinger bis an sein Lebensende ruiniert hätten. So hatte er eine der modernsten Brandschutzanlagen seiner Zeit einbauen lassen.
Dresden, Details des Dinglingerbrunnens, Fotografie von A. Hummel / Arstempano 2016
Im Jahre 1731 verstarb Dinglinger in seinem Haus. Er war fünfmal verheiratet und hatte 23 Kinder. Meist verstarben die Frauen im Kindbett. Das Haus verblieb bei seinen Erben und blieb bis zum Jahre 1760 in diesem bewundernswerten Zustand. Beim Bombardement durch die Preußen wurde das Gebäude allerdings schwer beschädigt. Beim Wiederaufbau verzichtete man auf die Altane mit ihren Apparaturen - Dresden war um eine Sehenswürdigkeit ärmer. Im Februar 1945 wurde das Haus mit seinem noch immer erhaltenen prachtvollen Innenhof gänzlich vernichtet.Dresden, Dinglingerbrunnen am Gewandhaushotel, Fotografie A. Hummel / Arstempano 2016
Lediglich der Brunnen konnte gerettet werden und wurde nach der Wiederherstellung durch Bildhauer Werner Hempel an der Rückfront des Gewandhaushotels eingefügt. Seither ist er dort eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt Dresden. Das ehemalige Wohnhaus Dinglingers in der Frauenstraße soll im Zusammenhang mit dem Bau des "Palais City One" / Quartier VI in seiner Grundstruktur, aber ohne den bereits abgebaggerten Keller rekonstruiert werden. Ob dabei der Brunnen im Original zurückgeführt wird oder eine Kopie im Hof des Hauses entsteht , ist derzeit unbekannt. Dresden, wiederaufgebautes Dinglingerhaus am Jüdenhof, Zustand August 2016, Fotografie von A. Hummel, Arstempano
Georg Christoph Dinglinger wurde 1668 in Biberach geboren und folgte seinem Bruder 1693 nach Dresden. Er war ebenso Juwelier und Goldschmied. Er bewohnte von 1716 bis zu seinem Tode 1728 das Dinglingerhaus am Jüdenhof. Dieses war 1711-16 für Abraham Thäme wohl nach Plänen Pöppelmanns gebaut worden. Das Gebäude wurde nach seiner vollständigen Vernichtung 1945 von 2014-16 innerhalb des Quartieres am Jüdenhof durch die Firma Kimmerle rekonstruiert. Besonders bemerkenswert ist die Integration der historischen Kelleranlagen (siehe Bauticker August 2016). Weiterhin bemerkenswert ist der Umstand, dass Bernardo Bellotto sein Gemälde vom Neumarkt mit Stallgebäude (heute Johanneum) in Teilen von einem Fenster im 1. Obergeschoss des Hauses schuf.Dresden, Dinglingers Weinberg in Loschwitz, Fotografie von A. Hummel, Arstempano 2015
Beim dritten Dinglingerhaus handelt es sich um das Weinberghaus von Johann Melchior in Dresden-Loschwitz. Neben dem Hauptgebäude erhielt sich ein Pavillon über dem Weinberg mit Blick auf die Elbe bis hin zur Innenstadt Dresdens. Im Inneren des Hauptgebäudes erhielt sich ein barocker Festsaal mit einer Windmessanlage aus der Zeit Dinglingers. Ähnliche Apparaturen existierten auch in Dinglingers Haus in der Frauenstraße. Der Saal zählt zu den wenigen im Original erhaltenen Räumen des Barock in Dresden. Das Gebäude, ehemaliger Wohnsitz des Nestors der sächsischen Denkmalpflege, Hans Nadler, befindet sich in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.Dresden, Frauenstraße um 1800, Rekonstruktion von Arte4D
Allerdings gab es wohl auch ein viertes "Dinglingerhaus". Es war ein Nachbarhaus vom Wohnhaus in der Frauenstraße, das Johann Melchior 1718 für seinen Bruder Georg Friedrich (geb. 1666) erwarb. Dieser hatte sich der Malerei verschrieben und schuf später die Emailmalerei auf den Kunstwerken seines Bruders. Seit 1704 war Georg Friedrich mit seiner Familie in Dresden ansässig. Allerdings arbeitete er schon seit 1693 in der sächsischen Residenzstadt und wohnte in einem Eckhaus Neumarkt / Ecke Moritzstraße. Seit 1711 bewohnte er mit seiner Familie das Anwesen auf der Pirnaischen Gasse 50, ein heute nicht mehr existentes Vorstadtgrundstück mit Garten - das fünfte Dinglingerhaus in Dresden! 1718 bezog er schließlich das angesprochene Nachbarhaus Johann Melchiors. Doch bereits zwei Jahre später verstarb Georg Friedrich mit nur 54 Jahren. Weitere Informationen zum Leben Georg Friedrichs und seiner Brüder sind auf der Homepage des Familienverbandes Dinglinger nachzulesen.
* Röhrwasser: Aus dem Stadtteil Dresden-Plauen in Holzröhren zugeführtes Wasser.
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